Albbruck: Vor zehn Jahren: Das Ende der Papierfabrik Albbruck | SÜDKURIER

2022-06-03 20:45:29 By : Ms. Binger Binger

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Zehn Jahre ist es her, seit die Papierfabrik Albbruck ihre Tore für immer geschlossen hat. „Wie den meisten, die über Jahrzehnte hinweg hier den Lebensunterhalt sich und ihre Familien verdient haben, tut es auch mir immer noch weh, wenn ich an dem sich heute total veränderten Betriebsgelände vorbeifahre“, sagt Thomas Gallmann. Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende der Papierfabrik hat zwar wie die meisten seiner ehemals 570 Kollegen längst wieder eine Arbeitsstelle gefunden. Doch die Schließung geht ihm bis heute nach.

Damit ist Gallmann nicht allein. Wenn die Zeit angeblich alle Wunden heilt und innerhalb eines Jahrzehnts sich vieles verändert hat, so ist in der Region die Schließung eines der damals größten Arbeitgeber bis heute noch präsent. Niemand hätte geglaubt, dass es angesichts der großen Investitionen in die Produktionsanlagen die „Papieri“ einmal nicht mehr geben würde.

„Wir haben gute Betriebsergebnisse erzielt“, heißt es heute noch unter den Ehemaligen. Groß war deshalb ihre Hoffnung, dass sich ein Investor finden würde, um die Produktion am Leben zu erhalten. Ob es wirklich einen möglichen russischen Kaufinteressenten für den Standort Albbruck gegeben hat, wurde nie offiziell bestätigt. Viele hielten dies für ein Gerücht. Doch selbst Thomas Gallmann sah damals in den immer wieder aufgetauchten Schilderungen eines Mitglieds der mittleren Führungsebene den Strohhalm zur Rettung.

Doch bereits vor Beginn der Verhandlungen über die Zukunft der Papierfabrik sei es für den finnischen Eigentümer klar gewesen, dass in Albbruck kein Papier mehr produziert werden solle, sagt Gallmann heute. Die Papierfabrik, die die UPM nur wenige Monate vorher von einem ebenfalls finnischen Konzern übernommen hatte, musste vom Markt verschwinden. Von diesem Standpunkt wurde auch während des mehrmals zusammengekommenen Runden Tischs nicht abgerückt.

Dem Albbrucker Bürgermeister Stefan Kaiser ist bis heute der 31. August 2011 in deutlicher Erinnerung. Es war der letzte Tag seines dreiwöchigen Sommerurlaubs. Dessen Erholungseffekt sollte für ihn auf einen Schlag vorbei sein und sich ein Berg von Sorgen für die Gemeinde und ihre Bevölkerung auftun. „Ich bekam abends den Anruf von Vorstandsmitglied Harald Wurster, dass ich mich auf ein Gespräch einzurichten habe, das keinen Aufschub dulde“, erinnert sich Kaiser. Bereits eine Stunde später habe man sich im Albbrucker Rathaus getroffen. Um 21 Uhr konnte der Bürgermeister bereits erahnen, welche Folgen die Werkschließung für die Region bedeuten würde. „Für den finnischen Konzern war es lediglich ein Federstrich. Für die Gemeinde und die Region allerdings ein Stich ins Herz“, so Kaiser.

Die Nachricht vom drohenden Aus für die Papierfabrik löste bei allen Beteiligten immense Anstrengungen aus. Am 16. September 2011 formierte sich in Albbruck eine Großdemonstration, wie sie die Region noch nie erlebt hatte. Doch auch die lautstarken Forderungen der über 4000 Personen zum Erhalt der Firma beeindruckten die Eigentümer nicht. Trotz mehrfacher Verhandlungen am Runden Tisch rückten sie von ihrer Marschrichtung nicht ab. Während Ende November 2011 in unmittelbarer Nähe der Albbrucker Weihnachtsmarkt Adventsstimmung verbreitete, warteten viele Mitarbeiter und ihre Familien gespannt auf den Ausgang der letzten Gesprächsrunde. Das Ergebnis nahm vielen Betroffenen jede Zuversicht und ließ sogar Tränen fließen.

Am 31. Januar 2012 schlossen sich die Tore der Papierfabrik für immer. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befanden sich nun in der ausgehandelten Transfergesellschaft. Das gesamte Firmenareal wurde im Mai 2012 an die bayerische Karl-Gruppe verkauft. Diese hatte auch die Verpflichtungen aus der betrieblichen Altersversorgung abgesichert, durch Rückstellungen in der Höhe von 20 Millionen Euro übernommen.

Doch über deren Einhaltungen haben sich in der Vergangenheit einige Ehemalige sogar an das Gericht gewandt. „Es ist traurig, dass uns zustehende Rentenerhöhungen nicht automatisch ausbezahlt werden“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, der sein ganzes Berufsleben in der Papierfabrik verbrachte. Wer nicht schriftlich die Erhöhungen eingefordert habe, würde automatisch darauf verzichten. Gerade für Kollegen, die der deutschen Sprache nicht so mächtig seien, bedeute dies einen großen Nachteil. „Eine solche Vorgehensweise grenze an Betrug“, macht das ehemalige Belegschaftsmitglied seinem Ärger Luft.

Der ehemalige Lehrlingsausbilder, Bernhard Huber, hatte sich vor Bekanntgabe der Betriebsschließung bereits für die Vorruhestandsregelung entschieden. Andere nahmen längere Wege zu einem neuen Arbeitsplatz in Kauf, wieder andere nahmen ein Umschulungsprogramm an. Besonders schwerbehinderte und ältere Kollegen hatten es schwer, in anderen Beschäftigungsverhältnissen unterzukommen. Plötzlich saßen „Papieri“-Mitarbeiter hinter dem Steuer von Omnibussen oder waren als Triebwagenfahrer auf der Hochrheinstrecke unterwegs. „Einige ehemalige Kollegen sind zwischenzeitlich in anderen Betrieben erneut von deren Plänen negativ überrascht worden“, versichert der ehemalige Betriebsratsvorsitzende Gallmann. Der heute 64-Jährige bezeichnet es für sich als einen wahren Glücksfall an seinem Wohnort in Wehr als Hallenwart eine Beschäftigung bei der Gemeinde gefunden zu haben.

Bald werden die letzten Reste der Papierfabrik verschwunden sein. Die Erinnerung an die „Papieri“ aber bleibt lebendig. Doch sobald die letzten Abbruch- und Baumaschinen abgezogen sein werden und das Gelände einer neuen Nutzung zugeführt ist, soll ein Gedenkstein auf dem Areal einen würdigen Platz finden. Die Katholische Arbeitnehmerseelsorge Hochrhein hat eine auf einem Felsblock angebrachte Plakette gestiftet zum Gedenken an die Papierfabrik Albbruck. Der steinerne Zeitzeuge wartet auf dem Gelände des gemeindlichen Albbrucker Werkhofs, das er endlich aufgestellt wird.

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