Es ist immer ein Faszinosum, wenn ein Künstler aus einem toten Material ein Wesen erschafft. Besonders fasziniert, wenn der Künstler dabei keinen massiven Körper formt, sondern eine Hülle. Regine Staudt geht noch einen Schritt weiter. Sie stellt weibliche Wesen mittels Kleidern dar, geformt aus luftig leichtem Papier und feinem Draht.
Papierkleider aus weißem oder naturfarbenem, z. B. aus Pergament- oder Verpackungspapier, sind bereits zu einem Markenzeichen der Passauerin geworden. Sie wirken, als hätten sie ihre Trägerin zurückgelassen und sich zu einem Wesen verselbstständigt, das deren Charakter mitgenommen hat. Diesen drückt ihre Erschafferin über den Schnitt und mit kleinen Accessoirs aus.
Staudt formt das Papier über Drahtmodellen, bevor sie es mit Kleister versteift und zum Ausstellen über eine Stehleuchte stülpt, sodass das fertige Kleid von innen heraus leuchtet, als hätte es eine Seele. Entsprechend personifiziert benennt die Künstlerin ihre Werke, z. B. als "Die Bescheidene", "Die Mutige" oder "Die Fahrige".
Für ihre jüngste Ausstellung im Kulturmodell Passau hat Regine Staudt den Draht zum Kleiderstoff gekürt. Überwiegend aus dünnem Basteldraht, teils zu Schnüren verhäkelt, sind noch leichtere, sphärische Geschöpfe entstanden. Frei hängend und in sich beweglich bilden sie je nach Raumbeleuchtung das Muster ihrer Drahtgewebe auf die Wand ab, als fände eine Seelenwanderung statt.
Strahlen Staudts Papierkleider vorwiegend Anmut aus, zeigen ihre Drahtkleider ganz neue Wesenszüge. Kombiniert mit wiederum Papieren oder Gegenständen sind zeichenhafte Exemplare entstanden wie "Die Melodische", die mit einer Haarlocke autobiografische Züge trägt. Oder avantgardistische wie "Die Freche", deren bauchfreies Kleid mit blauen Fransen leichtlebigen Charme versprüht.
Mit noch Einigem mehr hat Regine Staudt den Erdgeschossraum im alten Gemäuer des Kulturmodells in einen rührig ausgestatteten Kunstsalon verwandelt. Aus Wandbildern aus Draht und Papier, grafischen und fotografischen Arbeiten sowie aus alten Medizinbüchern lässt die ehemalige Kinderärztin und Jugendtherapeutin sprechen, was ihr wichtig ist: dass es auch in schwierigen Zeiten Lösungen gibt und dass die Menschen im Dialog bleiben mögen. "Kommunikation ist alles" heißt ein Bild aus sich zugewandten Köpfen. Das aktuelle Kriegsgeschehen hat die quirlig kreative Künstlerin in symbolhaften Objekten aufgearbeitet, die aufgereiht an einer Wand hängen. Dazu verwendete sie, die mit Vorliebe vorhandenes Material weiterverarbeitet, die Holzstreben eines ausrangierten Sonnenschirms.Gabriele Blachnik Bis 10. Juli in Passau, Bräugasse 9, rückseitiger Eingang über Donaukai, geöffnet Mi.-So. 14-17 Uhr