Neu auf dem Markt: Epoprostenol, Eribulin, mikrobielle Kollagenase und Re | PZ – Pharmazeutische Zeitung

2022-06-10 18:39:46 By : Mr. Zhixue Wang

Von Brigitte M. Gensthaler und Sven Siebenand /  Vier neue Arzneistoffe sind im vergangenen Monat auf den Markt gekommen. Was beinhaltet dieser Tetrapak? Ein Mittel zum Einsatz bei Lungenhochdruck und im Rahmen der Dialyse, ein Brustkrebsmittel, ein Enzympräparat und ein Antiepileptikum.

Im europäischen Ausland wird das Epoprostenol-haltige Mittel Flolan® seit etwa zehn Jahren eingesetzt.

Das Infusionsarzneimittel kam im Mai nun auch in Deutschland auf den Markt (Epoprostenol-rotexmedica 0,5 und 1,5 mg Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung; Rotexmedica). Auf das obengenannte Produkt bezieht sich auch die generische dezentrale Zulassung, die den Marktzugang in Deutschland ermöglichte. Inhaber der Zulassung ist Panmedica, der französische Mutterkonzern von Rotexmedica.

Nur nicht den Durchblick verlieren: Forschern ist es gelungen, vier neue Arzneistoffe auf den deutschen Markt zu bringen.

Das neue Arzneimittel ist zugelassen zur Anwendung während der Dialyse, wenn der Patient Heparin nicht verträgt oder unter Heparin ein hohes Blutungsrisiko hat. Zudem ist es indiziert zur intravenösen Langzeitbehandlung von Patienten mit primärer pulmonaler Hypertonie im Stadium III und IV (gemäß Klassifikation der New York Heart Association, NYHA), die nicht ausreichend auf eine andere Therapie ansprechen, sowie bei sekundärer pulmonaler Hypertonie im Rahmen einer Sklerodermie-Erkrankung. Auch hier müssen die Patienten bereits im NYHA-Stadium III oder IV sein.

Das Medikament enthält das Natrium-Salz von Epoprostenol, besser bekannt als Prostacyclin oder PGI2. Dieses natürliche Prostaglandin wird im Endothel der Blutgefäße gebildet. Es ist der stärkste bekannte Hemmstoff der Thrombo­zyten­aggregation und ein wirksamer Vasodilatator. In­travenös verabreichtes Epoprostenol wird rasch vom Blut ins Gewebe verteilt und innerhalb von wenigen Minuten abgebaut. Therapeutisch ist daher nur eine Dauerinfusion sinnvoll; als Bolus darf die Lösung nicht gegeben werden.

Die Wirkung auf die Thrombozytenaggregation ist dosisabhängig und klingt nach Ende der Infusion innerhalb von zwei Stunden ab. Bei Patienten mit Lungenhochdruck steigen dosisabhängig Herzindex und Schlagvolumen an, während der pulmonale Gefäß- und Gesamtwiderstand sowie der mittlere systemisch-arterielle Druck abfallen. Die kardiovaskulären Wirkungen verschwinden innerhalb von 30 Minuten nach Infusionsende.

Vor und während der Dialyse werden 4 ng/kg/min kontinuierlich infundiert. Nach Abschluss der Dialyse wird auch die Epoprostenol-Gabe beendet. Patienten mit pulmonaler Hypertonie bekommen das Medikament als Dauerinfusion aus einer kleinen tragbaren Infusionspumpe über einen zentralen Venenkatheter. Die exakte Dosis wird vorher, meist beginnend mit 2 ng/kg/min, durch Titration ermittelt. In klinischen Prüfungen lag die mittlere tolerierte Höchstdosis bei 8,6 +/- 0,3 ng/kg/min. Die aus dem Pulver und dem mitgelieferten Verdünnungsmittel zubereitete Lösung ist stark alkalisch und muss sehr sorgfältig appliziert werden, um Gewebeschäden durch Extravasation zu vermeiden.

Die Therapie erfordert viel Verständnis und Compliance vom Patienten. Daher muss der Arzt vor Therapiebeginn prüfen, ob der Patient in der Lage ist, die Katheterpflege und die Handhabung der Pumpe zu übernehmen. Bei der Vorbereitung des Arzneimittels und der Pflege des Verweilkatheters ist steriles Arbeiten erforderlich. Sehr häufige Nebenwirkungen sind Sepsis und Septikämie, Kopf- und Kieferschmerzen, Gesichtsröte (Flush), Übelkeit und Erbrechen.

Mit Eribulin kam im Mai ein neuartiges Zytostatikum auf den deutschen Markt (Halaven® 0,44 mg/ml Injektionslösung, Eisai). Es ist als Monotherapie indiziert für Frauen mit Brustkrebs, bei denen die Erkrankung trotz mehrfacher Therapien fortgeschritten oder metastasiert ist. Die Vortherapien sollten möglichst ein Anthrazyklin und ein Taxan enthalten haben.

Eribulin-Mesylat ist ein Analogon von Halichondrin B, das 1986 aus dem giftigen pazifischen Meeresschwamm Halichondria okadai isoliert wurde. Halichondrin B hat eine deutliche antitumorale Aktivität. Das synthetisch gewonnene Eribulin hat eine einfachere, aber immer noch komplexe Molekülstruktur. Wie Taxane hemmt es den Spindelapparat der Zelle, allerdings greift es auf andere Weise ein.

Die Substanz inhibiert die Polymerisation von Tubulin-Molekülen zu Mikrotubuli und kapselt Tubulin in nicht produktive Aggregate ab. Die fehlende Ausbildung des Spindelapparats blockiert die Mitose und induziert letztlich die Apoptose der Zelle. Eribulin unterscheidet sich von bekannten Mikrotubuli-Inhibitoren wie Taxanen und Vinca-Alkaloiden durch die Bindungsstelle an den Mikrotubuli; zudem hat es keinen Einfluss auf deren Verkürzung. Dies erklärt die Wirksamkeit des neuen Zytostatikums in Taxan-resistenten Tumorzelllinien mit bestimmten-Tubulin-Mutationen.

Eribulin wird als zwei- bis fünfminütige intravenöse Infusion an den Tagen 1 und 8 in einem 21-Tage-Zyklus gegeben. Die empfohlene Dosis beträgt 1,23 mg/m2 (entsprechend 1,4 mg/m2 Mesylat). Bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion oder schweren Nebenwirkungen im vorangegangenen Therapiezyklus muss die Dosis reduziert werden. Die Dosis kann mit physiologischer Kochsalzlösung (bis zu 100 ml), aber nicht mit Glucoselösung verdünnt werden. Da das Medikament Blutbildstörungen, vor allem eine Neutropenie, auslösen kann, sollte das Blutbild vor jeder Infusion überwacht werden. Eine antiemetische Prophylaxe, einschließlich Cortico-steroiden, ist zu erwägen, um Übelkeit und Erbrechen zu vermeiden.

Eribulin wird vorwiegend über die Galle ausgeschieden. Die gleichzeitige Gabe von enzyminduzierenden Substanzen wie Carbamazepin, Rifampicin oder Johanniskraut wird nicht empfohlen. Das Zytostatikum selbst kann das Cytochrom-P450-Isoenzym 3A4 hemmen.

Das Medikament hat seine Wirksamkeit in zwei einarmigen Phase-2-Studien und einer randomisierten Vergleichsstudie der Phase III gezeigt. In diese EMBRACE-Studie (Eisai Metastatic Breast Cancer Study Assessing Physician’s Choice versus Eribulin) wurden weltweit 762 Brustkrebs-Patientinnen aufgenommen und randomisiert. Die Frauen im Alter von 27 bis 85 Jahren hatten im Median bereits vier Chemotherapieregime erhalten, darunter in jedem Fall ein Anthrazyklin und ein Taxan. Dennoch war die Krebserkrankung fortgeschritten.

In der Studie erhielten zwei Drittel der Frauen Eribulin als Monotherapie, ein Drittel eine Therapie nach Wahl des Prüfzentrums (Treatment of Physician’s Choice, TPC). Im TPC-Arm bekamen 97 Prozent der Frauen eine Chemo- und 3 Prozent eine Hormontherapie. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben. Patientinnen im TPC-Kontrollarm überlebten median 10,6 Monate, mit Eribulin behandelte Frauen 13,1 Monate. Der Unterschied von 2,5 Monaten war statistisch signifikant. Die Ein-Jahres-Überlebensrate stieg von 43,7 Prozent im Kontrollarm auf 53,9 Prozent mit Eribulin. Auch bei den sekundären Endpunkten – progressionsfreies Überleben und Gesamtansprechrate – war der Wirkstoff überlegen.

Stickstoff: dunkelblau, Sauerstoff: rot, Wasserstoff: hellblau

Grafiken: Wurglics, Frankfurt am Main

Damit bietet das neue Medikament eine Option für Frauen mit Brustkrebs, die als »austherapiert« gelten. Allerdings sind die Nebenwirkungen erheblich. In der Studie litt mehr als die Hälfte der Frauen an Müdigkeit und Schwäche. Bei 54 Prozent kam es zu einer Neutropenie, bei jeder fünften Frau zu Leukopenie und Anämie. Weiterhin sehr häufig waren Appetitminderung, periphere Neuropathie und Kopfschmerzen, gastrointestinale Probleme, Alopezie, Arthralgie und Myalgie. In Bezug auf Therapieabbrüche, Dosisreduktionen oder -verzögerungen gab es nach Angaben von Eisai keine Unterschiede zwischen beiden Studienarmen.

Bisher war die Dupuytrensche Kontraktur (siehe Kasten) vorrangig operativ behandelbar. Seit Anfang Mai ist mikrobielle Kollagenase aus Clostridium histolyticum (Xiapex®, Pfizer) als erste injizierbare Therapieoption zur Behandlung einer Dupuytren’schen Kontraktur bei Patienten mit einem tastbaren Strang zugelassen. In dem verschreibungspflichtigen Präparat sind zwei aufgereinigte Kollagenasen enthalten, die aus dem genannten Bakterium gewonnen werden. Kollagenasen sind Enzyme, die Kollagen abbauen können. Die Applikation führt so zur enzymatischen Spaltung der Stränge.

Die Dupuytren’sche Kontraktur beginnt mit der Ausbildung von Knötchen in den Handinnenflächen. Diese Knötchen bestehen aus kollagenbildenden Zellen. Im weiteren Verlauf der Erkrankung sammelt sich weiter überschüssiges Kollagen an, sodass sich letztendlich unter der Haut Stränge bilden. Diese erstrecken sich von der Handfläche bis in die Finger und führen langsam zu einer Beugekontraktur der Finger, die als Dupuytren’sche Kontraktur bezeichnet wird. Die Folge: Einer oder mehrere Finger krümmen sich nach vorne zur Handfläche und lassen sich nicht vollständig strecken.

Die Anwendung erfolgt als lokale Injektion direkt in den Strang und kann ambulant erfolgen. Die empfohlene Dosis beträgt 0,58 mg pro Injektion in einen Strang. Das zu injizierende Volumen ist von der Art des behandelten Gelenks abhängig. Der Finger sollte etwa 24 Stunden nach der Injektion nach Bedarf einer Fingerextension unterzogen werden, um so die Lösung des Strangs zu unterstützen. Hierbei werden der beziehungsweise die Finger etwa 10 bis 20 Sekunden lang gestreckt. Wichtig: Es darf immer nur ein Strang gleichzeitig behandelt werden. Falls das Ergebnis nach einmaliger Injektion und Fingerstreckung nicht zufriedenstellend ist, kann der Arzt das Verfahren im Abstand von je einem Monat mit bis zu höchstens drei Injektionen je Strang wiederholen.

Die europäische Zulassung basiert auf den Ergebnissen zweier randomisierter und placebokontrollierter Doppelblindstudien, CORD I und CORD II (Collagenase Option for the Reduction of Dupuytren’s). Rund 370 erwachsene Patienten wurden darin mit bis zu drei Injektionen behandelt. Drei Monate nach der letzten Injektion wurden ihre Hände untersucht, um zu beurteilen, inwieweit die Fingergelenke gestreckt werden konnten. Hauptindikator für die Wirksamkeit war der Anteil der Patienten, deren am stärksten betroffenes Gelenk sich so weit strecken ließ, dass es sich um nicht mehr als 5 Grad nach vorne krümmte. Dies erreichten in der ersten Studie (CORD I) fast zwei Drittel der Patienten der Verumgruppe und nur 7 Prozent der Patienten mit Placeboinjektion.

Auch die zweite Studie (CORD II) zeigte, dass die Behandlung mit mikrobieller Kollagenase nachweislich wirksamer war als Placebo. In dieser erreichten 44 Prozent der Verumgruppe den primären Endpunkt, aber nur 5 Prozent unter Placebo.

Am häufigsten traten in den Studien lokale Reaktionen an der Injektionsstelle als Nebenwirkung auf, etwa Schwellungen, Blutergüsse, Blutungen und Schmerzen. Diese wurden bei der Mehrheit der Patienten beobachtet; ihr Schweregrad war meist nur leicht bis mäßig, und die Beschwerden klangen im Allgemeinen innerhalb von einer bis zwei Wochen ab.

Obwohl in den Studien keine schweren allergischen Reaktionen beobachtet wurden, müssen Ärzte darauf vorbereitet sein, etwaige schwere lokale oder systemische allergische Reaktionen, einschließlich einer möglichen Anaphylaxie, im Anschluss an die Injektion zu behandeln. In der Fachinformation wird auf das möglicherweise erhöhte Risiko solcher Reaktionen nach wiederholter Anwendung des Präparates hingewiesen. Bei Patienten mit Blutgerinnungsstörungen oder solchen, die Antikoagulanzien einnehmen, sollte das Präparat nur mit Vorsicht angewendet werden. In der Stillzeit kann es injiziert werden, in der Schwangerschaft wird dies nicht empfohlen. Die Behandlung sollte bis nach der Schwangerschaft aufgeschoben werden.

Seit Mitte Mai steht mit Retigabin (Trobalt® Filmtabletten, GlaxoSmithKline) ein Antiepileptikum mit einem neuen Wirkmechanismus auf dem deutschen Markt zur Verfügung. Zugelassen ist es als Zusatztherapie für fokale Krampfanfälle mit oder ohne sekundäre Generalisierung bei Erwachsenen.

Bei fokalen Anfällen betrifft die epileptische Aktivität nur einen Teil des Gehirns. Symptome wie ruckartige Bewegungen eines Körperteils, Hör-, Riech- oder Sehstörungen, Taubheit oder plötzliche Angstgefühle sind typisch. Sekundäre Generalisierung bedeutet, dass die übermäßige elek­trische Aktivität schließlich das gesamte Gehirn erfasst.

Retigabin kann vereinfacht als Kaliumkanal-Öffner bezeichnet werden. Kaliumkanäle spielen für die Steuerung der neuronalen Erregbarkeit genau wie die – von der Mehrzahl anderer Antikonvulsiva beeinflussten – Natriumkanäle eine wichtige Rolle. Von der Vielzahl an Kaliumkanälen mit ihren unterschiedlichen Aktivierungs­mecha­nismen und ihrer gewebespezifischen Expression haben sich die Kv7-Kaliumkanäle als interessantes Target in der Epileptologie herauskristallisiert. Experimentell lassen sich diese Kanäle mit Muskarin blockieren. Das begünstigt die Depolarisation und erhöht die Feuerungsrate der Nervenzelle. Umgekehrt führt die vermehrte Öffnung dieser Kanäle zur Hyperpolarisation und damit zur Reduktion der erhöhten neuronalen Erregbarkeit.

Stickstoff: dunkelblau, Sauerstoff: rot, Wasserstoff: hellblau, Fluor: grün

Hier greift Retigabin ein, indem es an die Kanäle bindet, ihre Öffnungswahrscheinlichkeit erhöht beziehungsweise ihren offenen Zustand stabilisiert. Der neue Wirkstoff greift relativ selektiv an den Subtypen Kv7.2 und Kv7.3 an. Diese werden vorwiegend im zentralen und peripheren Nervensystem exprimiert, zum Teil auch in der urogenitalen und gastrointestinalen Muskulatur.

Retigabin muss entsprechend des individuellen Ansprechens aufdosiert werden, um das Verhältnis von Wirksamkeit und Verträglichkeit zu optimieren. Die maximale Gesamttagesdosis bei Therapiebeginn beträgt dreimal 100 mg. Anschließend wird die Tagesdosis im Wochenrhythmus um maximal 150 mg pro Woche aufdosiert. Laut Fachinformation liegt die Erhaltungsdosis zwischen 600 und 1200 mg pro Tag.

Das pharmazeutische Personal sollte den Hinweis geben, die Tabletten im Ganzen einzunehmen, also nicht zu zerkauen, zerstoßen oder zerteilen. Zudem muss der Patient wissen, dass die Dosis bei Therapieende schrittweise reduziert werden muss. Als Vorsichtsmaßnahme sollten Patienten sowohl über das mögliche Risiko für einen Harnverhalt als auch über das mögliche Auftreten von Verwirrtheitszuständen, psychotischen Störungen und Halluzinationen aufgeklärt werden. Zudem sollte man Patienten und deren Betreuern raten, medizinische Hilfe einzuholen, wenn Anzeichen für Suizidgedanken auftreten. Diese könnten mit der Einnahme von Retigabin im Zusammenhang stehen.

Bei Patienten mit Vorerkrankungen des Herzens, QT-Verlängerung, Elektrolytstörungen und ab einem Alter von 65 Jahren sollte vor Beginn der Behandlung eine EKG-Kontrolle erfolgen. Weiter sollten Patienten ab 65 Jahren eine niedrigere maximale Erhaltungsdosis (900 mg/d) erhalten. Auch bei mittelschweren oder schweren Nieren- oder Leberproblemen erhalten sie am besten eine geringere Dosis. Während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, wird Retigabin nicht empfohlen. Bei der Entscheidung, ob das Stillen oder die Retigabin-Therapie fortzusetzen oder zu beenden ist, sollten sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Mutter berücksichtigt werden.

Retigabin wurde in drei Hauptstudien mit insgesamt mehr als 1200 Patienten, deren Anfälle mit anderen antiepileptischen Arzneimitteln nicht ausreichend kontrolliert werden konnten, mit Placebo verglichen. Retigabin oder Placebo wurden randomisiert und doppelblind zur aktuellen antikonvulsiven Medikation (in etwa 80 Prozent Zwei- und Dreifachkombinationen) dazugegeben und bis zur vorgegebenen Zieldosis hochtitriert.

Die Erhaltungsdosis betrug je nach Studie 600, 900 oder 1200 mg täglich. Diese wurde acht beziehungsweise zwölf Wochen eingenommen. In der ersten Studie war der Hauptindikator für die Wirksamkeit die Veränderung der Zahl der Anfälle pro Monat. Dabei zeigte sich, dass Retigabin die Anzahl der Anfälle pro Monat um 29 Prozent (900 mg) beziehungsweise 35 Prozent (1200 mg) verringerte. Im Vergleich dazu sank die Anzahl der Anfälle unter Placebo nur um 13 Prozent. Nicht schlüssig war die Wirkung der 600-mg-Dosierung des neuen Wirkstoffs.

In den beiden anderen Studien war der Hauptindikator für die Wirksamkeit die Anzahl der Patienten, bei denen sich die Zahl der Anfälle mindestens halbierte. Diesen Endpunkt erreichten 39 Prozent (600 mg) und 47 Prozent der Patienten (900 mg). Im Vergleich dazu waren es unter Placebo 19 Prozent. In der dritten Studie wurden die Anfälle bei 56 Prozent der Patienten, die 1200 mg täglich einnahmen, mindestens halbiert, im Vergleich zu 23 Prozent im Placeboarm.

Mit Inzidenzen zwischen 14 und 27 Prozent versus 8 bis 9 Prozent in den Placeboarmen waren die nebenwirkungsbedingten Studienabbrüche dosisabhängig. Als Nebenwirkungen sind primär die typischerweise mit der Dämpfung der neuronalen Erregung einhergehenden assoziierten Beschwerden zu erwarten. Sehr häufig traten Schwindel, Müdigkeit und Erschöpfung auf, häufig neurokognitive Nebenwirkungen wie Gleichgewichts-, Sprach-, Sprech- und Gedächtnisstörungen, psychiatrische Nebenwirkungen wie Verwirrtheitszustände, Halluzinationen, psychotische Störungen oder Desorientierung und urologische Auffälligkeiten wie Dysurie und Harnentleerungsverzögerungen.

Das Interaktionspotenzial von Retigabin mit anderen Antikonvulsiva und sonstigen Medikamenten ist den bisherigen Untersuchungen zufolge als gering einzuschätzen. 

Vorläufige Bewertung: Schrittinno­vation /  

Nachdem in den ersten vier Monaten nur drei neue Arzneistoffe in den Markt eingeführt wurden, kamen im Mai gleich vier neue Substanzen dazu, die sich gemäß AMNOG einer Nutzenbewertung unterziehen müssen. Ohne dem Bundesausschuss vorgreifen zu wollen, ist nach unserer Einschätzung ein Stoff eine Sprunginnovation und drei sind Schrittinnovationen. Mit den mikrobiellen Kollagenasen in Xiapex® kann erstmals die Dupuytren´sche Kontraktur medikamentös behandelt werden, die bisher nur durch eine Operation oder mikroinvasiv therapierbar war. Deshalb kann Xiapex® als Sprunginnovation bewertet werden kann.

Die drei anderen Stoffe sind Schrittinnovationen: Epoprostenol (Prostaglandin-I-2), in anderen europäischen Ländern und den USA schon seit mehreren Jahren in der Therapie, ist für Deutschland neu. Als starker Thrombozytenaggregationshemmer wird es während der Dialyse und als Dauermedikation beim pulmonalen Hochdruck eingesetzt. Es ist damit eine Alternative zu den bisherigen Therapiemöglichkeiten. Der Mitosehemmer Eribulin (Halaven®) unterscheidet sich im Wirkungsmechanismus etwas gegenüber den Taxanen und Vinca-Alkaloiden. Er kann bei Taxanresistenz eingesetzt und somit als Schrittinnovation gewertet werden. Mit Retigabin (Trobalt®) ist ein neues Antiepileptikum auf den Markt gekommen. Es hat als Kaliumkanal-Öffner einen neuen Wirkmechanismus und kann deshalb als Schrittinnovation gewertet werden.

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