Nachbarschaftsstreit um eine Hecke zieht Gerichtsprozesse nach sich
Neuburg (szs) Ligusterhecke und Maschendrahtzaun bilden die Bollwerke dieser Zeit, zum Schutz vor dem vertrauten Fremden auf der anderen Seite: dem Nachbarn. Diese letzten Bastionen moderner Spießbürgerlichkeit standen gestern im Mittelpunkt einer Verhandlung am Neuburger Amtsgericht.
Weil der Nachbar seine Hecke nicht wie gewünscht stutzen wollte, hatte ein 53-Jähriger offenbar selbst zur Säge gegriffen – der Schaden: über 4300 Euro. Richter Sebastian Hirschberger stellte das Strafverfahren gegen den Spengler gegen eine Geldauflage von 900 Euro ein – ein Zivilverfahren folgt aber noch.
Wie die meisten Nachbarschaftsstreitigkeiten begann alles vermeintlich harmlos. Als der Österreicher Stefan Z. (Name geändert) vor 21 Jahren seinen Garten in einer Gemeinde im östlichen Landkreis Neuburg-Schrobenhausen anlegte, errichtete er unter Einsatz von viel Schweiß einen Maschendrahtzaun – seinen Maschendrahtzaun. 2004 pflanzten dann die neuen Nachbarn ihre eigene Befestigung namens Liguster. Der ist bis heute auf zwei Meter Höhe angewachsen und hat den Zaun sozusagen geschluckt.
„Die Hecke dient auch mir als Sichtschutz, ich will nur wieder an meinen Zaun rankommen, meinen Maschendrahtzaun sehen können“, erklärte der Angeklagte vor Gericht. Dazu habe er das Gespräch gesucht. „Wir kamen gerade aus dem Urlaub, als er zu uns gekommen ist. Wir wussten erst überhaupt nicht, was er will“, erinnerte sich der Nachbar. Man trennte sich offenbar im Einvernehmen, doch als nichts geschah, begann ein reger E-Mail-Verkehr von Nachbar zu Nachbar, über Hecke und Zaun hinweg. „Es ist einfach nicht möglich, die Hecke so zu schneiden“, sagte der Ligusterbesitzer vor Gericht und verwies mit seinem Anwalt Jürgen Plank darauf, dass die Pflanzen regelmäßig von einer Gartenbaufirma gepflegt – und gestutzt – werden. Doch das reichte Stefan Z. nicht. „Ich bin kein Amokläufer mit der Kettensäge. Mir geht es nur um meinen Maschendrahtzaun“, beteuerte der Angeklagte. „Ich will wirklich nicht der ekelhafte Nachbar sein, aber ich will meinen Zaun pflegen.“
Im Oktober 2014 dann die Eskalation: Als der Ligusterbesitzer nachts bei stürmischem Wetter nach Hause kam, musste er Schreckliches erblicken: Die Hecke lag auf einer Länge von 20 Metern gefällt, an vielen Stellen in Bodennähe umgeschnitten. „Das Grundstück ist nach vorne offen, jeder kann da rein sein“, wiegelte der Angeklagte ab. Doch hatte Anwalt Plank eine Stellungnahme anderer Nachbarn dabei, die berichteten, dass der Angeklagte auch bei ihnen selbst zur Säge gegriffen hatte, als sie im Urlaub waren. Auch damals sei es um den Zaun gegangen.
Richter Hirschberger versuchte zusammen mit Staatsanwalt Adrian Neureither, den Konflikt dadurch zu befrieden, das Strafverfahren einzustellen: gegen eine Geldauflage von 900 Euro an den Geschädigten. Die Gerichtskosten hätten sich beide Parteien teilen sollen. Doch als daraufhin auch die Verteidiger Plank und Michael Bolter lautstark aneinandergerieten, war klar: Daraus wird nichts. „Dann gibt es eben Akt zwei“, sagte Hirschberger. Dieses Zivilverfahren folgt also noch.