Schlossgärtner pflanzen 45 Apfel- und Birnen-Sorten, die es schon zur Kaiserzeit gab.
Bad Homburg -Der "Gelbe Richard" ist hochgebaut, gerippt und zitronengelb. Von der "Herzogin von Angoulême" dagegen heißt es, sie sei "stark bebeult" aber auch "saftig schmelzend", in ungünstiger Lage jedoch "rübig schmeckend". Der Herr und die Herzogin sind vor kurzem im Schlossgarten eingezogen und schlagen jetzt Wurzeln. Eines Tages wird er Äpfel tragen und sie Birnen, denn die beiden gehören zu den 60 jungen Obstbäumen, die das Schlossgärtner-Team im Oktober und November am Rundbogenspalier gepflanzt hat.
Insgesamt 45 alte Apfel- und Birnen-Sorten aus der Kaiserzeit hat Chef-Gärtner Peter Vornholt von einer spezialisierten Baumschule kommen lassen. "Wir wollen ein Stück weit die Sortenvielfalt zeigen, die es hier früher gab", sagt er. Ein Glücksfall für die Auswahl der Bäume war eine mit preußischer Gründlichkeit akribisch geführte Liste aus dem Jahr 1906. "Alle Pflanzenarten waren genau kartiert", berichtet Jonas Reinhart (25), wissenschaftlicher Volontär bei der Verwaltung der staatlichen Schlösser und Gärten Hessen und dort mit Gärten und Gartendenkmalpflege befasst. "Der historische Plan dient nun als Grundlage für die Pflanzungen."
Das Rundbogenspalier bildet zwei sich kreuzende Laubengänge. Es steht im hinteren Teil des früheren Obst- und Gemüsegartens, der nicht öffentlich zugänglich ist. Hier, angrenzend an den 2003 neu gepflanzten Herrschaftlichen Obstgarten, mit Apfelquartier und Mirabellenstück, entsteht derzeit ein Wissensgarten. Dazu gehört das Projekt "Wissen wächst im Garten" in Zusammenarbeit mit der Stiftung Kunst und Natur Museum Sinclair-Haus und der Hölderlinschule. Bei Veranstaltungen dazu sind auch Gäste im abgetrennten Teil hinter dem großen Tor willkommen.
"Das Spalier stammt aus dem Jahr 1880 und ist voriges Jahr aufgearbeitet worden", berichtet Vornholt. Ein Teil der Konstruktion war 1929 versetzt worden. Damals wurde die sogenannte "Dunkle Allee" aufgegeben. "1927 war eine Grenzberichtigung durchgeführt und ein Teil des Parks weggenommen worden", erklärt Reinhart. Ein weitaus größerer Teil des Schlossparks ist jedoch in den 1970er Jahren verlorengegangen. Wegen der Verbreiterung des Hindenburgrings von zwei auf vier Spuren wurde der Schlosspark damals verkleinert. "Alte Eichenbestände sind dafür gefällt worden und der Zwetschgengarten wurde aufgegeben", so Vornholt.
Ein Ahornbaum aus einer weiteren Achse, der früheren Ahorn-Allee, ist aber noch übrig. Von den kaiserzeitlichen Spalierobstbäumen unterdessen hat immerhin eine "Esperens Herrenbirne" bis 2008 überlebt. Ein Foto im Archiv der Schlösserverwaltung zeigt ihre Kandelaber-Form mit vier starken nach oben strebenden Ästen. Leider war der alte Baum aber eines Tages nicht mehr zu retten. "Er war trocken geworden und musste entfernt werden", erinnert sich Vornholt. Dafür gehören aber nun zwei junge Herrenbirnen zu den frisch gepflanzten Bäumchen.
Damit die Wurzeln der künftigen Apfel- und Birnen-Träger nicht gleich von gefräßigen Wühlmäusen verspeist werden, haben die Gärtner die Wurzelballen unterirdisch mit feinem Maschendraht ummantelt. Eiserne Ringe um die Pflanzspiegel schützen vor dem Rasenmäher. Und darauf, dass das neue Spalierobst schön in Form bleibt, achtet der junge Gärtner Anton Rupperti (20), der sich auf Obstbaumschnitt spezialisiert hat. Es reiche nicht, einmal im Jahr mit der Baumschere anzurücken, erklärt er. "Ich beobachte die Bäume ständig, kontrolliere sie auf Schädlingsbefall, binde Äste neu an und achte darauf, dass an den angebundenen Ästen keine Druckstellen entstehen." Sein Handwerk hat er unter anderem auf der Insel Mainau gelernt. Sein Trick bei unerwünschten Trieben: "Im Sommer kann man sie herausreißen, dann ist das schlafende Auge weg." Schneide man sie dagegen ab, könne aus dem bis dahin schlafenden Auge ein neuer Trieb wachsen.
Und Vornholt erklärt: "Je eher man die Bäume pflanzt, desto besser wachsen sie zum Frühjahr hin an. Im Oktober und November sei die Erde dafür noch warm genug gewesen. Der nächste gute Zeitraum für Gehölzpflanzungen sei im März und April. Jetzt hofft er aber noch auf ordentlichen Frost. "Damit die Schädlinge reduziert werden." Außerdem bekomme der Boden dann eine schöne Krümelstruktur.
Schon vor gut einem Jahr haben die Gärtner übrigens eine neue Kirschenallee mit insgesamt 15 Bäumen gepflanzt, parallel zum Altbach und ebenfalls nach historischem Vorbild. Bei so vielen neuen Obstbäumen hofft Vornholt jetzt natürlich auf eine gute Ernte. "Unsere Winteräpfel lagern wir im Keller ein und verkaufen sie nach und nach auf unserem Wagen am Tor zur Dorotheenstraße", erklärt er. Jetzt sei der Keller leer und die Ernte vom vorigen Herbst ausverkauft.