SPD, Grüne und FDP haben am Mittwoch den Koalitionsvertrag der künftigen Ampel-Regierung vorgestellt. Diese Punkte sind bereits bekannt.
Berlin – Olaf Scholz scheint sein Versprechen aus den Tagen nach der Bundestagswahl 2021 halten zu können: Noch vor Weihnachten wolle man die Bildung einer neuen Regierung abschließen, versicherte der Kanzlerkandidat der SPD damals. Knapp zwei Monate nach der Wahl haben die Ampel-Parteien nun einen Durchbruch erreicht und sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Dieser wurde am Mittwochnachmittag dann vorgestellt.
Der finale Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP ist insgesamt 177 Seiten lang und gliedert sich in insgesamt acht Kapitel auf, welche die politischen Ziele der kommenden Legislaturperiode zusammenfassen. Eine Kopie des Vertrags liegt dem Münchner Merkur und Merkur.de vor.
Wie bereits im Sondierungspapier festgehalten, soll der in der Bundesrepublik geltende Mindestlohn einmalig auf 12 Euro erhöht werden. Weitere Erhöhungen sollen danach der unabhängigen Mindestlohnkommission überlassen werden. Ebenfalls angekündigt war, dass Hartz IV in seiner bisher bestehenden Form abgeschafft und durch ein neues „Bürgergeld“ ersetzt werden soll. Dazu schreiben die Ampel-Parteien in ihrem gemeinsamen Koalitionsvertrag: „Das Bürgergeld soll die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein.“
In den weiteren Ausführungen der Parteien wird festgelegt, dass das Bürgergeld in den ersten beiden Jahren ohne Anrechnung des Vermögens gezahlt werden soll. Darüber hinaus soll auch das Schonvermögen der Bürgergeldempfänger im Vergleich zu Hartz IV erhöht werden. Im Mittelpunkt sollen dabei die Potenziale der Menschen und eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt stehen.
Auch die Rechte von Kinder und Jugendlichen sollen durch die künftige Bundesregierung erheblich gestärkt werden. Dies soll einerseits durch die Einführung einer Kindergrundsicherung und andererseits durch die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz erfolgen. Um für mehr Teilhabe von Jugendlichen zu sorgen, wird das aktive Wahlalter für die Wahlen des Europäischen Parlaments auf 16 gesenkt. Darüber hinaus peilen die Ampel-Parteien auch eine Grundgesetzänderung an, um das Wahlalter auch bei Bundestahswahlen auf 16 zu senken.
Die künftige Ampel-Regierung will vor allem auch im Bereich der Migration einen Paradigmenwechsel einleiten. In diesem Rahmen wollen die Ampel-Parteien „die Mehrfachstaatsangehörigkeit ermöglichen und den Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vereinfachen“. Weiter heißt es: „In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern werden mit ihrer Geburt deutsche Staatsbürgerinnen bzw. Staatsbürger, wenn ein Elternteil seit fünf Jahren einen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.“ Angehörige der „Gastarbeitergeneration“ sollen ebenfalls leichter die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen können. Deutschland solle in Zukunft zu einem modernen Einwanderungsland transformiert weden
Im Bereich Finanzen soll es auch in der kommenden Legislaturperiode keine Obergrenze für den Besitz von Bargeld geben. Jedoch soll Bargeld in Zukunft nicht mehr zum Kauf von Immobilien genutzt werden dürfen - um Geldwäsche vorzubeugen. Ebenfalls im Kampf gegen Geldwäsche sollen die Eigentümer von Immobilien in Zukunft in einem Transparenzregister nachzulesen sein, um so Verschleierungen durch Stiftungen zu verhindern. Darüber hinaus wollen die Ampel-Parteien in einer Machbarkeitsstudie prüfen, ob ein digitales Grundbuch basierend auf einer Blockchain-Technologie möglich und vorteilhaft sei.
Bei der privaten Altersvorsorge wollen die Parteien das bestehende System grundlegend reformieren. In diesem Zusammenhang soll unter anderem ein öffentlich organisierten Fond ins Leben gerufen werden, in den die Bürger in Zukunft automatisiert einzahlen und somit ihr zu geringeren Kosten am Kapitalmarkt anlegen können. Durch gezielte Förderungen sollen diese Angebote dabei auch für untere Einkommensgruppen zugänglich gemacht werden. Allgemein will die Ampel-Regierung den Schutz der Anleger am Kapitalmarkt vermehrt in den Fokus rücken und unter anderem „unabhängige Honorarberatungen“ einführen. Der Sparerpauschbetrag soll darüber hinaus von aktuell 801 Euro auf 1.000 Euro angehoben werden.
Auch beim Thema Gesundheit stehen diverse Änderungen in der kommenden Legislaturperiode bevor. Im Voraus am kontroversesten diskutiert wurde dabei die von den Ampel-Parteien angepeilte Legalisierung von Cannabis. Im Koalitionsvertrag schreiben die Ampel-Parteien zu dieser Entscheidung: „Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet.“ Jedoch beinhaltet der Koalitionsvertrag auch eine angepeilte Reform der Krankenhaus-Landschaft. Die Länder sollen in Zukunft für Investitionen in Krankenhäuser größere finanzielle Unterstützung vom Bund erhalten. Zugleich würde der Bund aber auch mehr Einfluss in der Planung gewinnen.
Änderungen sind auch mit Blick auf die Pflege geplant. Generell sollen die Löhne und Arbeitsbedingungen von Pflegekräften verbessert und die Gehaltslücke zwischen Kranken- und Altenpflege geschlossen werde. „Wir wollen den Pflegeberuf attraktiver machen, etwa mit Steuerbefreiung von Zuschlägen, durch die Abschaffung geteilter Dienste, die Einführung trägereigener Springerpools und einen Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten für Menschen mit betreuungspflichtigen Kindern“, heißt es im Koalitionsvertrag. Darüber hinaus wollen die künftigen Regierungsparteien ein Werbeverbot für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Salz- oder Fettgehalt bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige einführen.
Beim Thema Bauen und Wohnen wollen die Ampel-Parteien einen „Aufbruch starten“. „Wir werden das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen gestalten“, heißt es dazu im Koalitionsvertrag. Das will die Regierung erreichen, in dem man pro Jahr mit dem Bau von 400.000 neuen Wohnungen plant. Darüber hinaus soll die finanzielle Unterstützung für den sozialen Wohnungsbau und die Eingenheimförderung weiter erhöht werden.
Auch bei den Themen Klimaschutz und Verkehrswende soll viel passieren. So soll der 2016 verabschiedete Bundesverkehrswegplan 2030 komplett auf den Prüfstand gestellt werden. Enthaltene Punkte, die den Klimaschutz-Plänen der künftigen Regierung schaden würden, sollen gestrichen werden. Dadurch können die verkehrspolitischen Weichen für die kommenden Jahre auch unter klimapolitischen Gesichtspunkten gestellt werden. Darüber hinaus wollen die Ampel-Parteien einen neuen Bundesverkehrswegplan 2040 auf den Weg bringen.
Dazu heißt es unter anderem im Koalitionsvertrag: „Wir wollen das Nebeneinander von Autobahn GmbH und Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau Gesellschaft (DEGES) aufheben. Zwischen Bund und Autobahn GmbH wollen wir eine überjährige Finanzierungsvereinbarung abschließen.“ Generell soll der Klimaschutz in der kommenden Regierung als Querschnittsthema etabliert und behandelt werden. Dadurch sollen die Bemühungen deutlich verstärkt werden, um Deutschland zurück auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen. Praktisch soll das Ziel durch einen erheblichen Ausbau von erneuerbaren Energien und einen damit verbundenen Ausstieg aus der Kohle erreicht werden. Letzterer soll laut Koalitionsvertrag „idealerweise“ schon bis 2030 erfolgen. Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen hierfür beschleunigt und eine Solarpflicht im öffentlichen Raum eingeführt werden.
Mit Blick auf die Personalien schreibt der Koalitionsvertrag zwar fest, welche Partei welches Ressort erhält, gibt jedoch keine direkte Antwort auf Personalfragen. Die Besetzung der Ministerposten soll demnach in den kommenden Tagen durch die jeweiligen Parteien erfolgen. (fd)